Mit den Augen eines Stimmbildners
ein Artikel von Dominic Richter
Mittwochabend 18:15
Ich habe mich im blauen Salon des Stimmkontor eingefunden und mir meinen Arbeitsplatz für die nächsten 2:15 hergerichtet. Hinter dem Klavier, welches ich in der Schiebetür zwischen den Therapieräumen geparkt habe, sitzend, erwarte ich die SängerInnen des Kontor-Chores.
Am heutigen Abend habe ich das Vergnügen, die Stimmbildung des Chores und die Erarbeitung einiger neuer und alter Phrasen aus altbekanntem und neuem Repertoire anzuleiten.
Frei nach dem Motto: „Willkommen zum Vocal-Bootcamp mit Herrn Richter gehen wirs gemeinsam an und singen, lauschen, immitieren, wiederholen und konkretisieren, was das Zeug hält.“
Station Nr. 1: Atmung
Chorisches Atmen ist das A und O für einen langfristig ausgewogenen Gruppen-Klang ohne atembedingte Lücken/Pausen. Wir bedienen uns einiger Evergreens zur Atem- Anregung und Vertiefung, um in Schwung zu kommen und energ(et)isch in die Probe zu starten. Schlürfen, „Luft unter der Zunge“, die „Saugende Funktion“, gemeinsam ziehen wir alle Register, um mit Leichtigkeit die Phonationsbögen zu verlängern, ohne am Ende der Probe vollkommen kaputt in den Seilen zu hängen.
Station Nr. 2: Artikulation
Neben der Stütze aus der Atemmuskulatur bedienen wir uns einer weiteren unsagbar wichtigen Instanz. Der artikulatorischen Stütze. Lippenspannung, Zunge(nposition um Mundraum) und der Grad der Kieferöffung sind immens wichtig, um gemeinsam über eine Ventilfunktion die Qualität der Phonation zu beeinflussen. Wir widmen uns gemeinsam verschiedenen Übungen zur Wahrnehmung und Nutzung dieser Strukturen und transferieren sie direkt auf einige darauf zugeschnittene Einsingübungen
Station Nr. 3: Intonation
„Everybody can sing“. Stimmt! Und damit es gemeinsam richtig fetzt, müssen wir einen gemeinsamen Sound finden und uns aufeinander einstimmen. Wichtig hier für ist ein feines Gehör und da dies keine Selbstverständlichkeit ist, bildet die Gehörbildung einen elementaren Bestandteil der Stimmbildung. Wir vergegenwärtigen uns noch einmal, dass die Qualität des Einstiegstons bezüglich der Dynamik, Artikulation etc darüber entscheidet, WIE ich ein Phrase starte und wie ihr Verlauf gestaltet ist. Mit den verschiedenen On-Set Qualitäten nach Estill Voicetraining, die mittels spazifischer Handbewegungen/Gesten unterstützt werden gehen wir exemplatisch einigen Phrasen aus den Grund, um als Gruppe noch besser zu verstehen, was wir gerade im Kollektiv anatomisch leisten.
Nachdem die Gruppe erfolgreich die Bridge von „Only you“ gemeistert hat, wagen wir uns an den Chorus von „Parkplatzregen“, was dazu führt, dass die Gruppe kurz in Diskussion darüber verfällt, ob es um einen Schauer vor einem Supermarkt, oder nicht doch einen Regenguss in der Eilenriede ginge. Die genauere Analyse des gesungenen Textes sollte Aufschluss darüber geben und für einige „Achsooooooo“s im Raum sorgen.
Das Ende vom Lied: Sopran, Alt sowie der einsame Tenor sind im Bilde über ihre Stimmen und schaffen es tatsächlich, den Refrain des Stückes gemeinsam und OHNE Klavierunterstützung zum Erklingen zu bringen!
20:45 Uhr. Die Tür fällt ins Schloss, ich schließe ab und mache mich mit einem Lächeln auf den Lippen auf den Weg nach Hause.
Dies war ein sehr guter Tag. Punkt